Sehr geehrte Damen und Herren,
Hochverehrtes Publikum,
ich habe heute Abend die ehrenvolle Aufgabe eine Laudatio zur aller ersten Vergabe der GOLDENEN STECHPALME zu halten. Sie geht in diesem Falle an eine Landesbehörde, an deren Spitze ein Mann steht, den sie nach meiner Rede sicherlich erkannt haben werden.
Wieso hat die Jury von art but fair ausgerechnet mich für diese Aufgabe ausgewählt? Vielleicht weil ich bei vielen biografischen Daten so ganz ähnlich und dennoch so ganz anders bin als er:
Er ist Jahrgang 1966, ich 1967.
Er ist geboren im Nordosten unseres Landes, in Ost Berlin, ich im Südwesten am Bodensee.
Er war Bausoldat bei der NVA, ich Offizier der Bundeswehr.
Er studierte evangelische, ich katholische Theologie.
Er war Studienleiter für gesellschaftspolitische Jugendbildung, ich war Leiter eines Bildungszentrums mit dem Schwerpunkt musisch-kultureller Jugendbildung.
Er ist SPDler, ich war FDPler.
Er wurde 2011 Kultusminister, ich 2013 Vorsitzender von art but fair Deutschland, einer Initiative für gerechte Arbeitsbedingungen und faire Gagen in der Darstellenden Kunst und der Musik.
Sie sehen: So ähnlich und doch so, so verschieden!
Wissen Sie schon, von wem ich spreche?
Ich gebe Ihnen weitere Hinweise:
Das Anhaltische Theater hier in Dessau-Roßlau ist ein kommunales Mehrspartenhaus mit Musiktheater, Schauspiel, Ballett, der Anhaltischen Philharmonie sowie einem Puppentheater. Doch dem Haus mit einer mehr als zweihundertjährigen Tradition drohen erhebliche Einschnitte durch eine Kürzung der Mittel durch die Landesregierung, die unser Preisträger zu verantworten hat. Deswegen steht Ihr Haus seit Ende des Jahres auf der Roten Liste des Deutschen Kulturrates.
Respekt möchte man da ausrufen!
Aus Protest gegen die Kürzung der Kulturförderung gibt auch der Intendant der Oper Halle, Axel Köhler, seine Stelle auf. Er könne die geplanten Strukturanpassungen mit erheblichen Stellenstreichungen nicht mittragen. Nach 30-jähriger künstlerischer Tätigkeit in Halle und an der Oper stehe er für eine Vertragsverlängerung nicht mehr zur Verfügung.
Respekt kann man da nur ausrufen!
Last but not least: Ebenfalls auf der Roten Liste des Deutschen Kulturrates steht die Landesbühne Sachsen-Anhalt. In der Lutherstadt – man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen – Eisleben schlagen die Wogen ebenfalls hoch. Schon im Juni 2013 versammelten sich in Eisleben zahlreiche Schauspieler und Einwohner zu einem Trauermarsch, da die Schließung des Hauses dramatisch nah rückt.
Respekt will es da aus einem herausschreien!
Angesichts dieser Faktenlage klingt das Zitat unseres Preisträgers: „Kein Standort wird aufgegeben!“ oder „Das Kulturland Sachsen-Anhalt muss nicht gerettet werden, es ist lebendig und lebt sehr intensiv!“ bei der 63. Landtagssitzung am 26. März mehr als zynisch!
Wir alle wissen über die Bedeutung von Kultur. Kunst und Kultur können enorme zivilisatorische Kräfte frei setzen. Sie spiegeln die Seele eines Volkes und seiner politischen Führungskräfte wider. Welche Fratze also erkennen wir in der Widerspiegelung unseres Preisträgers?
Verehrtes Publikum, haben Sie inzwischen erraten, wem meine Laudatio gilt? Wissen Sie nun, wieso so viele Künstler in Deutschland, Österreich und der Schweiz ihn auf Platz eins gewählt haben, als einem Kulturverantwortlichen, der die traurigsten und unverschämtesten Vorkommnisse in der Darstellenden Kunst und Musik für das Jahr 2013 zu vertreten hat?
Ich bin mir sicher: Sie wissen es!
So ähnlich und doch so verschieden...
Er erhält den Preis, ich verleihe ihn!
Meine Damen und Herren, die Goldene Stechpalme 2013 geht an...
Das Kultusministerium Sachsen-Anhalt und seinen Kultusminister...
Herrn Stephan Dorgerloh!
(Johannes Maria Schatz)