Nachlese zur 8. Arbeitsmarktkonferenz Medien und Kultur

Es muss vergnüglich hergegangen sein bei der 8. Arbeitsmarktkonferenz Medien und Kultur in Köln am frühen Morgen. Ich war leider zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend, sondern stieß erst nachmittags hinzu. Die Podiumsdiskussion, an der ich teilnahm stand unter dem Motto: „Zwischen Mindestlohn und Tantiemen: neue Entgelt- und Lohnmodelle?“.

Natürlich erkundigte ich mich im Vorfeld bei meinen Mitdiskutanten, wie der Morgen gelaufen sei. Mit sichtlich verärgerter Miene erzählten man mir, dass sich die Damen und Herren Politiker – Dank tatkräftiger Unterstützung (man lese und staune) der WDR Abteilungsleiterin Programmdesign und Multimedia, Karin Sarholz – hervorragend aus der Kulturmisere hätten stehlen können. Die Steilvorlage der Trägerin des Kurt-Magnus-Preises für Hörfunkjournalismus: Schon junge ArbeitnehmerInnen kämen mit unverschämten Forderungen nach einer guten Life-Work-Ballance an. Darauf hätte man doch frühestens mit 40 oder 50 einen Anspruch. Zu Beginn eines Arbeitslebens hieße es ganz einfach, viel und hart zu arbeiten! Die Vorstellungen mancher jungen Leute seien doch absurd, am Wochenende bitte nicht vom Arbeitgeber angerufen zu werden. Die KünstlerInnen von heute hätten alle viel zu viel „Wir Kinder aus Bullerbü“ gelesen.

Wir erinnern uns an das Kinderbuch Astrid Lindgrens: Lisas Mama sagt dort, dass es "Bullerbü" heiße, weil die Kinder in Bullerbü so viel herumbullerten. Man könne einfach nicht begreifen, wie es sechs Kinder schafften, einen solchen Lärm zu machen. Wir KünstlerInnen bullerten also viel zu viel herum, machten viel zu viel Lärm!

Jubel und Applaus bei den anwesenden Damen und Herren des Establishments. Genau: Der Markt regle das schon alles. Die Politik müsse nicht eingreifen, sei auch gar nicht zuständig. Alles halb so wild. Viel zu viel Lärm (um nichts)!

Ich traute meinen Ohren kaum!

Liebes Establishment, bislang waren wir alle noch viel zu brav. Der kulturpolitische Kuschelkurs ist von unserer Seite aus seit Dienstag vorbei! Bislang hatten wir in Interviews immer die Eigenverantwortung der betroffenen KünstlerInnen hervor gehoben. Das scheint aber kontraproduktiv gewesen zu sein (obwohl es natürlich noch immer richtig ist). Der Fokus wird sich nun bei uns verschieben: Wer öffentliche Fördermittel verteilt, ist auch verantwortlich zu überprüfen, wie diese eingesetzt werden, und zwar mit allen Konsequenzen!

In einem Land, in dem tagtäglich Sozialversicherungsbetrug stattfindet, der dann dazu führt, dass KünstlerInnen später in der Altersarmut landen, in einem solchen Land, ist noch viel zu wenig herumgebullert worden!

In einem Land, in dem die Besetzung von Filmrollen noch immer mit der unverhohlenen Frage verbunden wird, ob die Schauspielerin denn auch bereit wäre, mit dem Produzenten demnächst in den Urlaub zu fliegen, in einem solchen Land, ist noch viel zu wenig herumgebullert worden!

Und: In einem Land, in dem Proben nicht bezahlt werden, die KünstlerInnen nicht versichert sind, dennoch aber Arbeitsunfälle auf der Bühne geschehen, dann aber nicht sofort der Notarzt gerufen, sondern der Betroffene auf den Gehsteig getragen wird, um ein Fahrrad hinzu zulegen und jetzt erst die 110 gewählt wird, in einem solchen Land, ist noch viel zu wenig herumgebullert worden!

Liebe Karin Sarholz, mit Verlaub, Sie haben keine Ahnung wie es in unserem Land wirklich zugeht!

(Johannes Maria Schatz)


(von: Johannes Maria Schatz, Vorsitzender von art but fair Deutschland)