Sehr geehrte Frau Dr. Palfrader,

Sehr geehrter Herr Mag. Meindl,

Sehr geehrter Herr Dr. Haselsteiner,

Schon der erste Satz Ihrer Pressemitteilung vom 15.11.2019 ist eine Verhöhnung nicht nur der Wahrheit, sondern der betroffenen Damen und Herren, die jahrelang unter Herrn Kuhn und seinem Team in Erl leiden mussten. „Mit dem Bekanntwerden der im Raum stehenden Anschuldigungen haben wir als Stiftungsvorstand umgehend auf eine lückenlose Aufklärung hingearbeitet“ schreiben Sie da.

Wir erinnern an die Fakten, es ist eine Chronik des Versagens:

1. Ihre erste Reaktion auf die Enthüllungen von Herrn Wilhelm und art but fair international war am 14.02.2018 folgende (Zitat Ihrer Pressesprecherin Angelika Ruge im Standard): „Wir werden wegen dieser Vorwürfe rechtliche Schritte gegen Herrn Wilhelm in die Wege leiten.“

2. Auf unsere Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 28.02.2018 reagierten Sie wie folgt (Zitat Hans Peter Haselsteiner in der Wiener Zeitung): „Die Anschuldigungen seien eine ‚Schweinerei erster Ordnung. Wir sind offensichtlich Opfer einer Verleumdungskampagne.“

3. Auf die (inzwischen als begründet nachgewiesenen) Vorwürfe des Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz, ließen Sie in einer Pressemitteilung vom 11.03.2018 mitteilen: „Durch die vielen falschen Berichte, basierend auf Beschuldigungen von anonymen Musikern, art but fair und Markus Wilhelm, ist das Bild eines auf Almosen angewiesenen Orchesters entstanden, dass sie umgehend korrigieren wollen.“ Sie Herr Dr. Haselsteiner werden in der Süddeutschen Zeitung vom 14.03.2018 wie folgt zitiert: "Jemand will Kuhn kastrieren", "geifernd mit dem Messer:"

4. In einer APA Meldung lässt sich am 18.05.2018 von Mag. Yildirim mahnend nachlesen: „Die veröffentlichte Gagenordnung ist unzureichend. Es ist nicht nachvollziehbar, was ein einfaches Orchester- oder Chormitglied tatsächlich verdient. … Diese Vorfälle und die Betroffenen ernst nehmen, sensibilisieren und entschlossen dagegen vorgehen, das sehe ich als unsere Aufgabe. Dem Kulturminister ist dies offensichtlich kein besonderes Anliegen. Er plant auf meine Nachfrage keine Beratungsstelle und keine weiteren Maßnahmen dazu.“

5. Selbst nach dem Offenen Brief der fünf mutigen Damen vom 25.07.2018 lassen Sie sich, Herr Dr. Haselsteiner in der Opernwelt noch folgendermaßen zitieren: „Kuhn mache aus seinen Vorlieben eben keinen Hehl. Wein, Weib und Gesang – was wir gut nachvollziehen können.“ Und wie zur Verhöhnung aller Opfer setzen Sie in einer schriftlichen Reaktion sogar noch einen oben drauf: „Allerdings werde ich diesbezüglich erst ab Montag tätig werden, um das Ende der Festspiele abzuwarten.“

6. Noch Anfang August 2018 wollen Sie sich, Frau Dr. Palfrader, Ihrem grünen Koalitionspartner in der Forderung nach einem Aus für Gustav Kuhn als Dirigent in Erl nicht anschließen. "Die Frage des Dirigats stellt sich derzeit nicht“ zitiert Sie news.at am 02.08.2018. Auf die Frage, ob Kuhn in Erl als Dirigent auftreten werde, meinen Sie: "Das sehen wir dann im Herbst". Die Vorwürfe, dass Kuhn "Rollen nach bestimmten Kriterien" vergeben habe, würden Kuhns Position als künstlerischer Leiter betreffen, weshalb in Hinsicht auf den Dirigenten noch keine Konsequenzen erfolgten.“

7. Der Standard kommt am 13.08.2018 zu dem zutreffenden und vernichtenden Urteil: „Nach dem Öffentlichwerden der ‚Causa Kuhn‘ bei den Festspielen Erl ist in Tirol wenig geschehen, das zur Aufarbeitung der Angelegenheit geeignet wäre. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die politisch-medialen Verhältnisse im Westen.“ Und weiter: „Die Glaubwürdigkeit der Opfer wird in Zweifel gezogen, und Täter werden zu Opfern stilisiert. Jenen Künstlerinnen, die Ende Juli Gustav Kuhn Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vorwarfen, wurde prompt – und wider besseres Wissen – unterstellt, sie hätten die Vorwürfe erhoben, weil sie nicht mehr engagiert worden waren.“

8. Selbst nach der erfolglosen Pressekonferenz in Erl auf der sich sieben Künstler und Angestellte der Festspiele Erl in einer Pressekonferenz mit der Botschaft „Wir wollen Gustav Kuhn zurück“ an die Öffentlichkeit wandten und ein Sprecher der Solisten sagte, man fühle sich durch die Suspendierung Kuhns vom Stiftungsrat der Festspiele hintergangen, da dies seiner Ansicht nach einer Vorverurteilung gleichkomme“ stimmen Sie, Herr Dr. Haselsteiner, im Stiftungsrat noch immer FÜR Herrn Kuhn.

9. Faktisch reagierten Sie erst nach Herrn Kuhns legendärem ZIB2 Interview vom 22.10.2018, in dem er sich mit seinen Aussagen "Was sind sexuelle Übergriffe?" oder „Es gibt ja auch Missverständnisse“ selbst ins endgültige Aus schoss. Erst jetzt, ein dreiviertel Jahr nach den ersten Veröffentlichungen, präsentieren Sie Herrn Loebe als Nachfolger.

Sie, werte Dame und werte Herren haben weder „wesentliche Schritte gesetzt“ noch haben Sie Ihre „Verantwortung sehr ernst genommen“. Sie haben mit Nichten „unmittelbar reagiert“. Im Gegenteil: Sie haben investigativen Journalismus gerichtlich bekämpft und auf die Anzeige von art but fair international abgestritten, verschleiert und unendlich verzögert! Keine der im Raum stehenden Anschuldigungen haben Sie ernst genommen und Sie haben alles dafür getan, die Glaubwürdigkeit der Betroffenen zu beschädigen, zuletzt bei Ihrer Pressekonferenz im Oktober, auf der der interimistische künstlerische Leiter Ihrer Festspiele, Andreas Leisner, in den Raum stellte, dass die Aussagen der Opfer erkauft gewesen sein könnten.

Zu keiner Zeit waren Sie „bestürzt“ und schon gar nicht „zutiefst betroffen“! Sie waren weder an einer „raschen, lückenlosen“ noch einer „neutralen Aufklärung“ interessiert! Im Gegenteil: Sie haben zehn Monate lang auf ganzer Linie als Stiftungsvorstand versagt!

Und jetzt mit Ihrer jüngsten Pressemitteilung – ein ganzes Jahr später – versagen Sie ein weiteres mal. Es ist schon schlimm genug, dass die Opfer Sie dazu auffordern mussten, aber abgründig ist es, dass Sie weiterhin eine öffentliche Entschuldigung verweigern!

Das Alles zeugt davon, dass Sie bis heute nichts, aber auch gar nichts dazugelernt haben! Sie, verehrte Frau Dr. Palfrader und Sie, geehrter Herr Dr. Haselsteiner, sollten sich schämen und umgehend Ihren Rücktritt aus allen Ämtern bei den Tiroler Festspielen erklären! Nur so kann ganz offensichtlich ein unbelasteter Neuanfang in Erl gelingen!

Sehr geehrter Herr Mag. Meindl, Sie wurden von uns im Mai und Dezember 2018 im Bundeskanzleramt vollumfänglich über unseren Kenntnisstand informiert. Sie versprachen Transparenz und signalisierten ein entschlossenes Vorgehen. Sie wissen, dass Herr Kuhn kein Einzeltäter war. Ein solches System, das gleich auf mehreren Ebenen versagte, wird von vielen Personen getragen. Die Tiroler Festspiele tragen darum eine Verantwortung als Ganzes. Eine Entschuldigung ist unumgänglich, damit die gerissenen Wunden heilen können. Als Verantwortlicher auf Bundesebene sind Sie in der Verantwortung, das zu tun, was Frau Dr. Palfrader und Herr Dr. Haselsteiner verweigern. Wir zählen auf Sie!

Für die drei internationalen Vorstände von art but fair

Johannes Maria Schatz