GLOSSE ZU DEN VORGÄNGEN BEI DEN TIROLER FESTSPIELEN

Da baut sich ein Kufsteiner Handelswissenschaftler, der Dank seines Schwiegervaters seit den 70er Jahren einen Milliardenkonzern aufbauen darf, mit umfangreichen Bundes- und Landesmitteln ein süßes Festspiel- und Passionshäuschen im verpennten Tirolernest Erl und schafft sich so sein ureigenes kleines, privates Opern- und Konzertfestspiel. Was dem alten Fritz Recht war, ist dem philanthropen Hans-Peter doch billig! Er holt sich dazu aus der Steiermark den in Bonn berühmt-berüchtigt gewordenen Watsch’n-Gustl, der von dort aus zentral in Europa lebend bequem seine Weltkarriere planen und gestalten kann. Diese letzte Formulierung hätte ich natürlich niemals selbst erfinden können, sie steht genau so auf der Webseite der Tiroler Trauerspiele.

Mit billigster weißrussischer Chor- und Orchesterunterstützung lassen beide hinfort im Unterinntal mit Mitteln des modernen, neoliberalen Sklaven- ich meine natürlich Wirtschaftswachstums eine wahre Passionszeit anbrechen, nicht nur hinsichtlich der unterirdischen Arbeitsverhältnisse und Gagen – die Finanzpolizei hat inzwischen die wiederholte unerlaubte Beschäftigung von Ausländern festgestellt – sondern auch wegen zigfach öffentlich gemachter sexueller Übergriffe. Denn fünf mutige Frauen schreiben im Juli einen offenen Brief und outen sich darin als „direkt Betroffene, Zeuginnen oder Mitwissende“ und beklagen „anhaltenden Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe“ des inzwischen geschassten Wein-Weib-und-Gesang-Toads. Wenige Wochen später solidarisieren sich öffentlich acht Männer mit den weiblichen Opfern und bestätigen „strukturelle Gewalt und übergriffiges Verhalten in vielerlei Hinsicht“.

Doch der Milliarden Hans-Peter und seine Tiroler Mischpoke denken ja gar nicht daran, den Sumpf ernsthaft trocken zu legen! Sie machen den Bock zum Gärtner. Der Leisner Andi, ehemaliger Stellvertreter und Zögling des Watsch’n-Gustls, selbstverständlich Teil des morbiden Systems, avanciert umgehend zum künstlerischen Leiter der Trauerspiele. Naive moralische Werte, die wir einst im Reli-Unterricht eingeimpft bekamen, haben in der Clique des alten Grabschers natürlich keinerlei Bedeutung. Je tiefer man in Erl kriecht, desto besser die Chance auf einen höheren Posten.

Folgerichtig organisiert der kleine Andi mit dem Segen des Hasi-Präsis eine Pressekonferenz – zu siebt sitzen sie auf der Bühne – platziert seine völlig freiwillig teilnehmenden Claqueure im Rund der Zuschauersitze und sie fordern die Rückkehr "ihres Maestro". Wohlgemerkt: gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt und ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet ist. Ohne Kuhn werde "Erl nicht mehr das sein, was es ist". Da schwellen mir dann doch die Stirnadern! Ja, Gott sei Dank, möchte ich den niederträchtigen Arschkriechern entgegen schreien. Erl darf nie mehr sein, was es mal war!

Aber lange noch nicht genug. Mit grammatikalisch wohl vorformulierten rechtssicheren Konjunktiven stellt der Andi in den düsteren Passionsraum, dass manche Anschuldigungen oder die Aussagen von Unterstützern der Kritiker gegen Bezahlung erfolgt sein könnten. Selbst Erpressungsversuche gegen die Trauerspiele deutete er an. Wieder schwillt mir der Hals: Ja, verdammt noch mal, dann berichte das der Staatsanwaltschaft und nicht der Presse!

Der Wes-Brot-ich-ess-des-Tenorliedchen-ich-sing-Ferdi legt noch einen drauf: Man sei – wer verflucht ist eigentlich „man“? – von Kritikern und der Initiative art but fair beleidigt, beschimpft, diffamiert und unter Druck gesetzt worden. Ja, klar! Wir dreisten Agitatoren sitzen nächtelang vor unseren Monitoren und schmieden heimlich Pläne, wie wir eben jene Künstler, für die wir vorzugeben kämpfen, diabolisch grinsend anschließend den letzten Rest Würde stehlen, um… ja, was eigentlich? Aber wahrscheinlich ist uns Art-but-fair‘lern einfach nur langweilig und wir lassen unsere niederträchtige Bosheit an den ohnehin schon am Boden Liegenden aus!

Richtig kotzübel wird es mir dann aber, wenn der Kriecher-Andi die weiblichen Opfer ohne rot zu werden ein zweites mal missbraucht. Er lässt nämlich durchblicken, dass eben jene bezahlt wurden für ihre Aussagen gegen seinen Fummel-Mentor. Er kenne diese "Masche". Zum ersten mal möchte ich nicken. Das nehme ich dir sofort ab! Aus eben diesem Grunde wirst auch du gehen müssen, damit ein Neustart überhaupt gelingen kann! Und mit dir gehen muss ebenfalls jeder andere moralische Krüppel, der da auf dieser Bühne saß, weil er/sie lediglich eine Scheißangst hat, in der künstlerischen Bedeutungslosigkeit zu versinken und – um das zu verhindern – über Leichen geht!

Was ist das nur für eine Erler Hinterwelt, in der Künstlerinnen und Künstler ihren Kolleginnen und Kollegen coram publico Bestechlichkeit vorwerfen können, nachdem diese mutig in der Öffentlichkeit von sexuellen Erniedrigungen eines alten Grapschers berichten haben?

Verstoßen seid auf ewig!

Verlassen seid auf ewig!

Tod und Verzweiflung flammet um euch her!

(Johannes Maria Schatz)